Eine lustige Martinsgeschichte

Eine besonders lustige Martinsgeschichte ereignete sich im Jahr 1955:

Auch in diesem Jahr sollte, wie in vielen Jahren zuvor, der Rheinfelder St. Martin von der Familie Grandrath gestellt werden. Und wie üblich sollte und wollte das Theo Grandrath von der Kölner Straße übernehmen. So war es zugesagt und abgesprochen. Am Tage vor St. Martin, am 11. November, trat im Betrieb des Theo Grandrath eine Betriebsstörung auf. Damit fiel er für die nächsten Tage vollständig aus, denn der Betrieb hatte Vorrang.

Nun wurde Josef Grandrath gefragt, ob er denn am nächsten Tag als St. Martin durchs Dorf reiten würde. Aber da biss man auf Granit; er wollte und konnte nicht.

Dann musste halt der Vater von Josef Grandrath, Gerhard Grandrath, den Dienst übernehmen. Doch beim Anblick des Martinsrosses überkam ihn die große Angst. Nein, das ging nicht. Er verzichtete auf die große Ehre.

Nun war guter Rat teuer. Entweder gab man das Amt zurück und riskierte dabei, dass ein anderer Rheinfelder ab sofort der Rheinfelder Martin wurde, oder man fand ein anderes Familienmitglied. Und da stand plötzlich Herbert im Blickpunkt. Nach kritischer Diskussion über Statur und Mut des 13jährigen Volksschülers kam man zur Ansicht, dass es durchaus gehen könne, denn das Martinskostüm, der weiße Bart und die Bischofsmütze wirkten vorzüglich als Maske. So wurde Herbert probeweise in das Kostüm gesteckt und die Familie beschloss einstimmig: „Passt!“.

Am Tag des St. Martinszuges wurde Herbert Grandrath eingekleidet, auf das Pferd gehoben, letzte Instruktionen wurden erteilt und dann ging es los. Der Umzug verlief ohne Probleme, das Pferd kannte Vorgang, Weg und Musik seit Jahren und blieb friedlich. Die Verteilung der Gaben erfolgte ebenso einfach und dann konnte St. Martin vom Pferd steigen.

Wie in jedem Jahr, so trafen sich auch in diesem Jahr die Helfer, Eltern und St. Martin zu einem kleinen gemütlichen Beisammensein im Anschluss an die Feier. Herbert Grandrath blieb aber nur kurz dabei, um nicht erkannt zu werden.


Am nächsten Schultag trat Lehrer Alfred Hein vor die Klasse, warf einen strengen Blick in den Raum und forderte Herbert Grandrath auf, aufzustehen und zu erläutern, warum er am Abend zuvor nicht beim Umzug gewesen sei. Da kannte Lehrer Hein nun nichts – alle Schüler hatten bei dieser hochoffiziellen Feier anwesend zu sein, es sei denn, sie waren ernsthaft erkrankt. So zählte er regelmäßig die Köpfe seiner Lieben ab. Nun stand Herbert Grandrath mit gesenktem Kopf vor der Klasse und dachte daran, dass er hoch und heilig versprochen hatte, nichts zu sagen.

aus: Eduard Breimann, Geschichte und Geschichtliches, Dormagen 1994, S. 369 f

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